Bevor Sie zu lesen beginnen: Bitte drücken Sie F11 um den Vollbildmodus zu starten!
Eine interessante These über das IPad/Tablet, die ich unlängst bei Christian Meier (Ressourleiter „Digital“ bei kressreport) gelesen habe lautete:
„Wo das Internet flüchtig ist, wäre eine iPad-App ein Medium der Entschleunigung durch Ausschaltung anderer Einflüsse.“ (Meier, C., 2011, S.11)
Ich habe mir dazu auch so meine Gedanken gemacht:
1. Gedanke: Das geschlossene System
Das wir das Surfen und das digitale Werkeln am Tablet anders empfinden als am Laptop oder PC hat wohl viel mit dem Wesen der mobilen Betriebssysteme zu tun. Diese sind von Geburt an geschlossene Systeme, auf die der Nutzer eben nur soviel Einfluss nehmen darf, wie der Entwickler ihm gestattet. Das bedeutet also, dass sich der IPad User auf der einen Seite über fehlende Flash-Anwendung echauffiert, auf der anderen Seite aber glückich darüber ist, dass sein System wenig fehleranfällig ist, flüssig läuft und er alles was er so braucht immer schnell parat hat.
Man kann sicherlich lange darüber diskutieren, ob das Apple-Prinzip – inklusive überwachungsstaatlich organisiertem App-Store – unserem demokratisch frisierten und freiheitsliebenden Wesen ein Dorn im Auge ist oder ob wir das hinnehmen wollen für den Schein der Exklusivität. Fest steht jedoch: Durch die Selektion und die Begrenzung des Angebots werden uns Entscheidungen abgenommen, durch die uns das Tablet ein bißchen übersichtlicher, ein bißchen entschleunigter vorkommen mag. Wenn wir eine Zeitung lesen, dann bekommen wir nur den Content zu sehen, den der Chefredakteur für wichtig deklariert. Ob wir beim Tablet diese Entscheidungen in Hände von Software- Unternhemen legen wollen ist natürlich eine andere Frage und ein Denkanstoß für die Verlage!
2. Gedanke: Das volle Bild
In einem wissenschaftlich wenig fundierten, aber in seinen Ergebnissen doch beeindruckenden Selbstversuch schreibe ich diesen Blogeintrag von Beginn an im Vollbildmodus*. Volle Konzentration! Es schreibt sich wunderbar, weil nicht ständig irgendeine Mail dazwischen funkt oder ich versucht bin etwas anderes nebenher zu machen. Als weitere Überlegung dazu muss man nur einmal an Computerspiele denken. Nicht ohne Grund laufen diese eigentlich immer im Vollbildmodus. Das raumfüllende Erlebnis bringt den Spieler womöglich dazu, vollständig in die fremde Welt einzutauchen und die Realität um sich herum zu vergessen.
Das erlebte und beschriebene Phänomen lässt sich bedingt auf mobile Apps übertragen, denn auch sie bilden kleine, in sich geschlossene Systeme, die bildschirmfüllend dargestellt werden. Die Bedingung: Die Apps müssen so gestaltet sein, dass sie „die volle Aufmerksamkeit auf sich ziehen und eine Welt in sich darstellen“ (Meier, 2011, S. 11). Dazu gehört eine Fokussierung des Themas ebenso wie eine Interface-Gestaltung die nahezu in den Hintergrund rückt, aber den Content in genau das richtige Licht rückt. Nun kam aber irgendjemand auf die verrückte Idee der „Push-Benachrichtigung“ und hastenichtgesehen, bricht die geschlossene heile Welt wieder zusammen, durch Einflüsse von außen, durch eine Mail vom Arbeitskollegen (bloß ein Kettenbrief – so was gibts noch?) oder die Whats App Nachricht vom Freund („Wollte mal hören was du so machst?“) .
Und noch eine weitere Unart schleicht sich ein: die Werbung. Es gibt da diesen Traum, dass auf dem Tablet die Werbung ein ganz neues Gesicht bekommt. Eines das Spaß macht, Freude bringt und uns ganz sanft auf den richtigen Weg, zum richtigen Produkt führt. Am Anfang war sie da: Die Pop-up freie Zone – ein Leben ohne Werbebanner und Lauftexte. Jetzt sind sie zurück und flimmern zum Teil schlimmer als je zu vor… Und in diesem Punkt bin ich tatsächlich mittlerweile erwachsener geworden: Bevor ich mir das antue möchte ich lieber bezahlen, meine App für mich besitzten, ohne Werbung.
3. Gedanke: Das Inter- Face
Im zweiten Gedanken hat es bereits schon einmal meine Aufmerksamkeit erhalten: Das Interface. Das Interface ist wie das Gesicht einer App, mit der es uns entgegenblickt. Es kann gelassen sein und uns mit seinen Blicken zum verweilen einladen. In seinen Augen können wir ablesen, was es von uns möchte und wie wir uns verhalten sollen. Oder es macht einen gestressten, abgehetzten Eindruck bei dem wir das Gefühl bekommen wir müssen etwas tun, ohne zu wissen was… Im letzteren Fall überträgt sich der Stress womöglich auch auf uns selbst und alles wird wieder bescheunigt.
Leider gibt es mal wieder kein Patentrezept für gute Gestaltung. Klar ist, es muss ein sichtbarer Kontext- und Zielgruppenbezug bestehen. Die Gestaltung von Apps muss nicht immer „laut“ und mit allen Möglichkeiten von Interaktivität und Multimedia ausgestattet sein, wie ich vielleicht vor einigen Wochen mit dem E-Magazin „Symbolia“ zeigen konnte. Allerdings ist es – nun im Bezug auf elektronische Bücher – auch keine Lösung digitale Faksimile von Printprodukten zu produzieren. Es darf ruhig Mut bewiesen und mit den neuen Möglichkeiten des Tablets gespielt werden. Bitte nicht im Sinne von einem Animated-gif-Revival aus der frühen Internetzeit, sondern mit Hilfe kluger und kreativer Ideen.
Fazit:
Das Tablet bietet in seiner Grundbeschaffenheit tatsächlich die Möglichkeit uns von Multitasking-Jongleuren zurückzuführen in eine Welt die nicht aus 10 geöffneten Tabs besteht. Die Aufmerksamkeit des Nutzers könnte wieder stärker gebunden werden, ähnlich – wenn auch nicht genauso – wie die eines Buchlesers.Allerdings befinden wir uns gerade wieder auf einem Weg alles zu parallelisieren, durch „Push-Benachrichtigungen“ und Werbeeinblendungen ohne Sinn und Verstand. Daher mein Plädoyer für mehr Mut bei der App Gestaltung, dazu gehört je nach Kontext auch der Mut zur Einfachheit.
Sie dürfen den Vollbildmodus nun verlassen und ihre Mails checken!
* Bei dem Wort echauffiert war ich kurz davor im Online-Duden nachzuschlagen, habe aber dann aber die Suchmaschine in meinem Kopf angeschmissen und bin zu dem Ergebnis gekommen: dass kann sich nie und nimmer mit v schreiben (echauviert – bäh)!
Quellen Meier,C. (2011). Erlösmodelle im E-Publishing. Wie sich Medien auf Tablets neu erfinden können: Interviews, Analysen, Essays. Hamburg: tredition GmbH